Anlässlich eines Festivals, das am vergangenen Wochenende in der Nähe von Leipzig stattfand, befürchtete die Polizei Übergriffe durch rumänische Diebesbanden. Diese Erwartung stützt sich auf frühere Fälle organisierter Taschendiebstähle auf Festivals. Vor dem Festival sandte die Polizei Schreiben an Hotels in der Umgebung des Festivalorts und bat deren Betreiber, den Aufenthalt rumänischer Staatsangehöriger in ihren Hotels während des Festivals der Polizei zu melden. Nun werfen einige der Polizei Racial Profiling und Rassismus vor; das Vorgehen der Polizei stelle „alle rumänischen Staatsbürger*innen pauschal unter Verdacht“. Der zuständige Datenschutzbeauftragte hingegen sieht kein Problem.
Ist die Kritik berechtigt? Diese Frage beantwortet sich, wenn man das Geschehen kontextualisiert und realistische Alternativen beleuchtet.
Hotels sind verpflichtet, die Identitäten ihrer Gäste zu erfassen, diese Daten eine Zeitlang aufzubewahren und sie auf Verlangen den zuständigen Behörden zu übermitteln. Bemerkenswert sind deshalb einzig die Aufforderung zur aktiven Meldung sowie das damit verbundene Auswahlkriterium der Staatsangehörigkeit.
Eine Alternative zur aktiven Meldung durch die Hotels wäre die regelmäßige Kontrolle aller neu ausgefüllten Meldescheine durch die Polizei in kurzen Abständen. Sie wäre zum einen zuverlässiger – Hotelangestellte könnten den Anruf bei der Polizei schon mal vergessen – und zum anderen aufwändiger. Für die letztlich Betroffenen ändert sich dadurch wenig.
Alternativ zur Nennung des Auswahlkriteriums könnte die Polizei auch alle Meldedaten der betreffenden Hotels einsammeln und selbst filtern. Auch diese hätte auch die letztlich Betroffenen keine nennenswerten Änderungen zur Folge. Jedoch nähme die Transparenz – eines der Gewährleistungsziele des Datenschutzes – ab, denn nun behielte die Polizei für sich, wonach die warum suche.
Bleibt noch das Auswahlkriterium selbst. Tatsächlich handelt es sich um eine Kombination von Kriterien, nämlich (1) die rumänische Staatsangehörigkeit, (2) der Aufenthalt in einem Hotel (3) während und in der Nähe eines bestimmten Festivals. Diese Kriterienkombination ist weit spezifischer als die bloße Staatsangehörigkeit. Gleichwohl besteht bestenfalls ein loser Zusammenhang zwischen diesen Kriterien und den gesuchten Straftätern.
Jedoch gehören vage Suchkriterien unvermeidlich zur Polizeiarbeit. Wenn Zeugen einen flüchtigen Täter als „männlich, etwa 1,80 Meter groß und dunkel gekleidet“ beschreiben, wird die Polizei in der Umgebung des Tatorts nach Menschen Ausschau halten, auf die diese Beschreibung passt, und möglicherweise mehrere Unbeteiligte kontrollieren. Begrenzt werden die Auswirkungen auf die Betroffenen durch die begrenzten Ressourcen der Polizei – Großfahndungen nach Kleinkriminellen sind nicht praktikabel – sowie durch die rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen, insbesondere die Rechtsweggarantie.
Spezifischere Auswahlkriterien sind auch nicht per se besser. Das der Fahndung anhand wenig spezifischer Kriterien entgegengesetzte Extrem ist die Fahndung nach konkret bezeichneten Personen anhand ihrer persönlichen Daten oder mit Hilfe von Fotos. Die Zahl der potenziell Betroffenen wäre wegen der spezifischen Auswahl geringer, dafür könnte die Polizei wenige Personen intensiv bearbeiten. Die Einbindung der Öffentlichkeit würde bestimmte identifizierbare Personen betreffen statt einer grob umrissene und im Alltag nur ausnahmsweise eindeutig zu identifizierenden Gruppe.
Grund zur Empörung gibt es also kaum, zumal die Kritiker auch keinen Vorschlag unterbreiten, wie die Polizei ihre Arbeit besser machen könnte.
PS (2019-09-23): Es bestehen Zweifel, ob der Anlass der Aktion überhapt bestand.