Das Wetter ist zu schön, um das Wochenende vor dem Computer zu verbringen. Trotzdem hier eine Auswahl der Links rund um Corona-Apps und verwandte Themen, die sich während der vergangenen Woche angesammelt haben:
- Die Einführung von Corona-Immunitätsausweisen, ob analog oder digital, ist vorläufig zurückgestellt, nachdem Gesundheitsminister Spahn eingesehen hat, dass man darüber gründlich nachdenken muss. Fabian A. Scherschel erklärt auf Heise Online, warum er digitale Seuchenpässe für technokratischen Solutionismus hält.
- Den Gesundheitsämtern fehlt Personal, deshalb soll ihnen nach der Kontaktverfolgungs- auch eine Quarantäne-App die Arbeit erleichtern. Im Landkreis Mainz-Bingen setzen die Amtsärzte eine App ein, die den Informationsaustausch mit Quarantänepatienten vereinfachen soll.
- Die offzielle Corona-Warn-App der Bundesregierung soll Mitte Juni fertig sein. Axel Voss schlägt schon mal vor, freiwilligen Nutzern der App Privilegien zu gewähren. oder wie andere formulieren, Verweigerer benachteiligen. Der Verwaltungsrichter Malte Engeler hingegen fordert eine gesetzliche Regelung für den Einsatz von Kontaktverfolgungs-Apps.
- Hartmut Gieselmann aus der c’t-Redaktion beschäftigt sich mit den Erfolgsaussichten der automatischen Kontaktverfolgung und den offenen Problemen dabei. Er empfiehlt, genügend Zeit für einen Betatest einzuplanen, den Entwurf eng mit den Gesundheitsbehörden abzustimmen und offene rechtliche Fragen schnell zu klären.
- Island hat bereits eine App zur automatischen Kontaktverfolgung im Einsatz, die von beachtlichen 40% der Bevölkerung genutzt wird. Die isländischen Kontaktverfolger finden die App Rakning C-19 jedoch wenig hilfreich und arbeiten weiter wie bisher.
- Welche Folgen ein positiver Corona-Test im richtigen Leben nach sich ziehen kann, beschreibt @zuckerguss1998 in einem Twitter-Thread. Eine App, die folgenlos mal kurz piepst, wird dem vielleicht nicht hundertprozentig gerecht. Wer auf klassische Weise als Kontaktperson eines Infizierten gefunden wird, erhält übrigens auch keine unverbindliche Empfehlung zur freiwilligen Selbstisolation, sondern eine handfeste Quarantäneanordnung – und nicht automatisch einen Test, dessen Ergebnis ihn in falscher Sicherheit wiegen könnte.
- Die Erhebung von Kontaktdaten in wiedereröffneten Restaurants, Friseursalons usw. führt unvermeidlich zu Datenschutz-Diskussionen. Zum großen Problem werden solche Besucherlisten voraussichtlich nicht, doch einzelne Missbrauchsfälle sind möglich.
- Das amerikanische Mobbing gegen Huawei zeigt Nebenwirkungen. Weil die Trump-Regierung die Zusammenarbeit zwischen Huawei und Google behindert und Huawei daraufhin zu Alternativen greift, lassen sich Apps aus dem Google-Play-Store auf manchen Huawei-Geräten nicht installieren.
- Simon Chandler findet, dass die Vertraulichkeit von Daten nicht das Kernproblem von Kontaktverfolgungs-Apps ist, und fragt sich zur Recht, ob wir die Kontrolle über unser Verhalten tatsächlich an unsere Smartphones abgeben sollten und möchten.
- Die EU-Kommission verlangt entsprechend ihrer Kernkompetenz, dass Corona-Apps grenzüberschreitend funktionieren. Über die vermeintliche Gretchenfrage nach einem zentralen oder dezentralen Ansatz sind sich Europas Nationalstaaten jedoch uneins. Die Normungsorganisation ETSI gründet unterdessen eine Standardisierungsgruppe für Corona-Tracing-Apps, so es in einigen Jahren ähnlich wie zum Beispiel für Kontonummern oder Verkehrszeichen europaweit einheitliche Standards geben könnte.
- Gabriel Yoran meint, man müsse hinsichtlich einer Kontaktverfolgungs-App nicht nur über Datenschutz, sondern auch über Logistik und Vertrieb reden. Zudem zweifelt er daran, dass SAP und Telekom die richtige Adresse für die Entwicklung einer benutzergerechten App sind.
- Ein Papier aus dem Fraunhofer-Institut AISEC vergleicht dezentrale und zentrale Protokolle zur Kontaktbenachrichtigung, findet unterschiedliche Stärken und Schwächen und sieht wenig Anlass zu Glaubenskriegen um den einen oder den anderen Ansatz.
- Zu guter Letzt hat eine interdisziplinäre Gruppe französischer, schweizer und kanadischer Wissenschaftlerinnnen eine Risikoanalyse aus Anwendungssicht erstellt (auch als französische Originalfassung). Darin beschreiben sie fünfzehn allgemeinverständliche und ohne technische Spezialkenntnisse ausführbare Angriffsszenarien in Systemen zur automatischen Kontaktverfolgung.
Bei so viel Text wünscht man sich fast eine Quarantäne, um genügend Zeit zum Lesen zu haben.