Das ist doch mal eine schöne Theorie:
»Dann aber berichtet der Teamleiter von einer überraschenden Beobachtung: In China und anderen Ländern, wo sich die neue Variante des Virustyps H1N1 ausbreite, „gehen die Befunde mit H3N2 gleichzeitig schnell nach unten“, sagt er. Die Kollegen merken auf. Heißt das, die neuen Viren, Verursacher der weltweit verbreiteten Schweinegrippe, verdrängen die bisherigen, saisonalen Grippeviren, weil sie im Körper ihrer Wirte um den gleichen Platz konkurrieren? Werden damit die „pathogeneren“ Viren ausgerottet, diejenigen also, die mehr schwere Erkrankungen und Todesfälle verursachen?«
(Tagesspiegel: Schweinegrippe: Höchste Warnstufe)
Ob so etwas medizinisch plausibel ist, kann ich nicht beurteilen, und es interessiert mich auch nicht besonders. Viel interessanter ist nämlich der Aspekt der Risikomanagements. Wenn so ein Verdrängungseffekt prinzipiell möglich ist, er aber erst nach einer größeren Zahl beobachteter Fälle nachweisbar wird, worauf stütze ich dann a priori meine Risikoschätzung? Wieviel Willkür, wieviel Faustregel und wieviel Cargo-Kult steckt eigentlich in einer Impfempfehlung?
Reine Leichenstatistik: Die Zahl der Toten einer Impfkampaigne ist um Zehnerpotenzen niedriger als in der ungeimpften Vergleichsgruppe.
Ob Virus A nun Virus B verdrängen könnte und welcher nun gefährlicher ist, ist wurscht, wenn man mit nur zwei Spritzen sowohl A als auch B neutralisieren kann und
>( <(risk(A), risk(b)), risk(vacc(A), vacc(B)))
Und was kommt heraus, wenn wir die ganze Bevölkerung unter Berücksichtigung des realen Impfverhaltens (welcher Anteil lässt sich wogegen impfen?) betrachten anstelle der Vergleichsgruppen? Sowie neben der direkten Wirkung (Schutz des Geimpften) auch die schwächeren indirekten (Schutz der Ungeimpften durch geringere Ansteckungsgefahr)? Gibt es einen Parameterbereich, in dem die Impfkampagne eine paradoxe Wirkung entfalten könnte?
Die Vergleichsgruppen stammen ja aus der Bevölkerung. Bei der Saisongrippe hat man beispielsweise jedes Jahr einige Zehntausend ungeimpfte Tote in Deutschland aber nur wenige Impfprobleme.
Eine Risikoverschärfung tritt beispielsweise ein, wenn eine hinreichend große Zahl Menschen der Meinung ist, es hätten sich genügend andere impfen lassen, um einen guten Herdenschutz zu garantieren. Das Risiko ist dann für die Ungeimpften eine Funktion der lokalen Bevölkerungsdichte.