Der wöchentliche Nachrichtenüberblick zu Corona-Apps aller Art:
- Der Deutschlandfunk fasst den aktuellen Stand in Sachen Corona-Warn-App zusammen und schaut dabei auch auf andere Länder: Warum Deutschland noch keine Corona-App hat.
- Die Entwicklung schreitet jedoch voran. Apple und Google haben wie angekündigt ihre Schnittstellen zur Unterstützung von Contact-Tracing-Apps veröffentlicht. Dazu passend stellt das deutsche Corona-Warn-App-Projekt ein Architekturdokument sowie die ersten Quelltexte für den Warnserver bereit. Auch eine Anleitung zum Melden von Sicherheitsproblemen gibt es bereits und eine Werbeagentur denkt sich Sprüche aus.
- Der Journalist Ranga Yogeshwar wird ungeduldig, hält Deutschland im Taz-Interview für ein hochnäsiges digitales Entwicklungsland und sieht durch Datenschutzdiskussionen technische Unfähigkeit vernebelt. Dabei können wir Technik vergleichsweise gut, aber auf der Anwendungsseite hapert es, wie Konstantin von Notz gegenüber dem Deutschlandfunk betont: „Das liegt daran, dass Deutschland sowieso bei IT-Großprojekten schlecht aufgestellt ist. Und dass man immer eine unglaublich bürokratische, sehr nutzerfeindliche Logik hat, sei das bei De-Mail, dem E-Perso, der elektronischen Gesundheitskarte.“
- Yogeshwar meint auch, wir hätten besser die Südkoreaner nach ihrer Lösung fragen sollen statt selbst von vorne anzufangen. Wie das südkoreanische Modell funktioniert, welche Daten dort verwendet werden und wie die daraus erzeugten Warnmeldungen aussehen, erklärt die BBC. Dieses Vorgehen erscheint hierzulande vielen undenkbar, hat jedoch Vorzüge. Wozu die südkoreanische Kontaktverfolgung im Stande ist, zeigt ein Kurzbericht von Sukbin Jang, Si Hyun Han und Ji-Young Rhee: Cluster of Coronavirus Disease Associated with Fitness Dance Classes, South Korea. Deutsche Gesundheitsämter schaffen so etwas sicher auch, die Corona-Warn-App in der geplanten Form hingegen sicher nicht.
- Zweifel am Nutzen der Corona-Warn-App äußern der Sächsische Ministerpräsident Kretschmer und die Grünen-Politikerin Rößner. Indirekt an der Notwendigkeit einer App zweifelt der Thüringer Ministerpräsident Ramelow. Er möchte landesweite Vorschriften zu Kontaktbeschränkungen und Mindestabständen sowie die Mundschutzpflicht bereits in zwei Wochen aufheben.
- Der Kultur- und Medienwissenschaftler Roberto Simanowski braucht gar keine funktionierende App. Er kann schon der Debatte um die App Positives abgewinnen und meint, die Gesellschaft übe sich darin im medienwissenschaftlichen Diskurs.
- Einblicke in die Arbeit der Gesundheitsämter gibt ein Twitter-Thread von @stadtwildnis. Wir erfahren dort unter anderem, dass die Gesundheitsbehörden fast so dezentral organisiert sind, wie sich das manche von einer Corona-App wünschen. Dies hat zur Folge, dass an der Kontaktverfolgung häufig mehrere Ämter beteiligt sind, weil die Kontaktpersonen in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen wohnen.
- Neben dem RKI hat auch die Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam mit der Universität Tübingen eine Datenspende-App zu Forschungszwecken entwickelt. CoroNotes soll ohne Fitnesstracker funktionieren, ist gegenwärtig jedoch aufgrund technischer Probleme nicht verfügbar.
- Aus dem Bundescoronahackathon hervorgegangen ist der Verein Quarano, das an einer gleichnamigen Quarantäne-App arbeitet. Wie weit die Entwicklung fortgeschritten ist, bleibt auf der Website unklar. In seinem Podcast UKW spricht Tim Pritlove mit Oliver Drotbohm, einem der Entwickler. In der Slowakei erscheint sich die dortige Quarantäne-App als vergleichsweise grundrechtsschonend: wer sie benutzt, darf seine Quarantäne zu Hause statt in einem nicht allzu komfortablen staatlichen Quarantänezentrum verbringen.
- Zu guter Letzt erregen Gästelisten in Restaurants, Friseurgeschäften und anderen Einrichtungen die Gemüter: Rechtsanwalt Niko Härting sieht darin einen Ausdruck ausufernder Vorratsdatenspeicherung, ein Bochumer Anwalt klagt wegen nach seiner Auffassung mangelnden Datenschutzes gegen die Erfassung. In Schleswig-Holstein zeigt das ULD, dass sich jedes Datenschutzproblem in Papier einwickeln lässt und stellt ein Musterformular vor, das pro Person eine ganze Seite braucht – oder sogar zwei, wenn die Betroffenen eine Kopie der Datenschutzhinweise mit nach Hause nehmen möchten. Einige Wirte helfen sich selbst, indem sie der Einfachheit halber die Ausweise ihrer Gäste fotografieren, und stehen dabei mit einem Bein im Gefängnis. Eine App anstelle von Formularen könnte die Erfassung vereinfachen und gleichzeitig den Gästen helfen, später ihre Betroffenenrechte wahrzunehmen, denn wer notiert sich schon im Alltag, wo er überall seine Kontaktdaten hinterlässt? In der entstehenden Corona-Warn-App hat solch eine Funktion jedoch vorerst keinen Platz.
Wäre es am Ende doch schlau gewesen, erst einmal die Aufgaben, Funktionen und Erfolgsaussichten einer Corona-App zu diskutieren und sich dabei Vorbilder aus anderen Ländern anzuschauen?