Die Wissenschaften ergründen und beschreiben die Realität. Anders die Informatik: Sie schafft Realität. Computer und Programme sind Menschenwerk. Auch Menschenwerk kann man wissenschaftlich untersuchen – Historiker, Religionswissenschaftler und so weiter tun nicht anderes. Der objektive Blick auf eine selbst bearbeitete Realität fällt allerdings schwer, nicht nur Einzelnen, auch ganzen Gruppen. Wo hört die berechtigte gemeinsame Weltsicht auf, fängt die kollektive Täuschung an?
In der Theorie sind Theorie und Praxis gleich. In der Praxis sind sie es nicht. Einen Beleg liefert das Paper UML in Practice (DOI: 10.1109/ICSE.2013.6606618) von Marian Petre. Sie befragte 50 Softwareentwickler nach ihrer Nutzung der Unified Modeling Language (UML). Aus der wissenschaftlichen Literatur ist UML nicht wegzudenken. Sowohl die grafischen Notationen als auch die zugrundeliegenden formalen Modelle und Metamodelle werden für alles mögliche verwendet und sind auch selbst Untersuchungsgegenstand.
Von den 50 befragten Praktikern jedoch gaben 35 an, UML überhaupt nicht zu nutzen. Weitere 11 setzen (Teile von) UML zwar ein, jedoch informell als Kreativitäts-, Diskussions- und Kommunikationswerkzeug. Für die formalen Modelle unter der Haube interessiert sich diese Gruppe herzlich wenig und sie hält sich auch nicht daran. Statt im Metamodell Profile und Erweiterungen zu definieren, passen Praktiker die Modellierungssprache ad hoc ihren Bedürfnissen an.
Theoretikern gefällt UML, weil man darüber so viel schreiben und die praktische Bedeutung einfach unterstellen kann. Praktiker brauchen Tools, die ihnen objektiv bei der Arbeit helfen und lassen alles andere liegen.