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Ein frühes Beispiel für „Security Economics“ …

… und die Illustration eines gerne gemachten Denkfehlers verdanken wir den Grenztruppen der DDR:

„Im Frühjahr 1989 stellen Ökonomen der Grenztruppen eine groteske Rechnung auf. Sie teilen die Kosten für die Grenze durch die Summe der Festnahmen und stellen fest, dass jede Festnahme 2,1 Millionen Mark kostet. Der Wert eines durchschnittlichen Werktätigen wird mit 700.000 Mark veranschlagt. Also, folgern sie, ist eine Festnahme dreimal so teuer wie der Verlust eines Werktätigen. Das Resümee lautet nicht: ,macht die Grenze auf‘, sondern: ,macht die Grenze billiger‘.“

Der Denkfehler liegt darin, nur die aktiv abgewehrten Angriffe – Festnahmen bei versuchten Grenzübertritten – zu berücksichtigen. Die größte Wirkung entfaltete die  innerdeutsche Grenze jedoch durch Abschreckung. Die meisten, die ohne Mauer vielleicht in den Westen gegangen wären, versuchten es angesichts der geringen Erfolgsaussichten und hohen Risiken gar nicht erst oder nur auf dem legalen und langwierigen Weg per Ausreiseantrag.

Hinter diesem Denkfehler steckt ein grundsätzliches Problem, mit dem man es immer zu tun bekommt, wenn man die Wirkung von Sicherheitsmaßnahmen messen möchte. Wirksame Maßnahmen führen tendenziell dazu, dass bestimmte Arten von Angriffen insgesamt unterbleiben, weil sie sich nicht mehr lohnen und andere Angriffe oder Ziele attraktiver werden. Wer erfolgreich Sicherheit schafft, kann seinen Erfolg deshalb nicht messen und nachweisen.

Wechselnde Prioritäten

Sicherheit ist schwer, weil das Angreiferverhalten nicht einmal statistisch konstant bleibt. Diese Erfahrung machte auch die DDR kurz vor ihrem Ableben:

Jahrzehntelang hatte man sich intensiv auf einen militärischen Konflikt mit dem Klassenfeind vorbereitet. Dem preußischen Militarismus stand die DDR in nichts nach und die männliche Bevölkerung war hervorragend  militärisch ausgebildet. Der Einsatz der Armee gegen das eigene Volk kam auch deshalb nicht in Frage – es hätte sich zu wehren gewusst und die Armee war fürwahr eine Volksarmee.

Angriff abgewehrt

Im Zuge der durch die Volkspolizei seit dem 17.6.1953 zur Durchführung der Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung getroffenen Maßnahmen wurden festgenommen:

Festnahmen insgesamt: 176 Personen
davon Bürger der DDR: 176 Personen
dem Militärkommandanten übergeben: 4 Personen
den Organen des MfS übergeben 142 Personen
den Gerichten übergeben: 2 Personen
bei der Volkspolizei verblieben: 10 Personen
wieder aus der Haft entlassen: 10 Personen

(Bezirksbehörde Deutsche Volkspolizei Erfurt:
Auswertung der Ereignisse seit dem 17.6.1953)

An das Bundeszentralamt für Steuern

Jetzt tun wir mal etwas völlig Beklopptes, denn damit rechnen sie nicht. Musterklagen sind für Weicheier und bloggende Anwälte. Ich bin weder das eine noch das andere, dafür aber gelernter DDR-Bürger. Was uns, respektive dem Bundeszentralamt für Steuern, das nachfolgende Schreiben beschert:

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Verschlüsseln für Historiker

So einfach sind Sicherheitsanalysen, wenn man das Jahr 1960 schreibt und in der DDR sitzt:

»In den erstrangigen Chiffrierverkehren findet ein Blockverfahren, die sog. Staatschiffre, Anwendung. Die Schlüsselunterlagen werden von der Sowjetunion geliefert. Das Verfahren hat eine absolute Sicherheit.«

(Bericht über die Lage im Chiffrierwesen, 20. Januar 1960; Hervorhebung von mir)

Die Schlüssel kamen aus der Sowjetunion, die mussten sicher sein. Alles andere wäre undenkbar gewesen. Und vor dem großen Bruder im Osten hatte man sowieso keine Geheimnisse zu haben. Wer den Bericht zuende liest, wird allerdings merken, dass den Genossen diese Situation keineswegs angenehm war. Da die Sowjets nichts liefern wollten, was zu mehr Eigenständigkeit beigetragen hätte, erwog man sogar den Kauf von Technik aus dem Westen.

Zu finden ist diese Stilblüte in einer umfangreichen Materialsammlung über das Chiffrierwesen der DDR. Die Navigation ist ein wenig unübersichtlich, aber es gibt ein Inhaltsverzeichnis. Zu finden sind dort allerlei Beschreibungen manueller Verfahren, Dienstvorschriften und Richtlinien, Informationen über Chiffriergeräte und Lehrmaterial. Die heilige Dreifaltigkeit von Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit findet sich dort auch wieder:

»Die Sicherheit des Nachrichtensystems kennzeichnet seine Fähigkeit, in Abhängigkeit von seiner Resistenz gegen Aufklärung und seiner Imitationssicherheit, allen Aufklärungsarten des Gegners standzuhalten und der Desorganisation, der Desinformation sowie dem nichtsanktionierten Zugriff zu Nachrichten innerhalb des Nachrichtensystems entgegenzuwirken.«

Am Ende sind die Jungs aber wohl auch nur bei DES gelandet.

Update: Umgezogen nach scz.bplaced.net.