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Mythos personalisierte Werbung

“There is a rational explanation for everything.
There is also an irrational one.”
Schwa World Operations Manual

Eines der Gebiete, die Laien zur Algorithmenschelte einladen, ist die automatisierte Werbung. Wenn wir – ohne Adblocker – Websites besuchen, wählen geheimnisvolle Algorithmen aus, welche Werbung wir zu sehen bekommen, gespeist von Daten aus Trackern, die uns im Internet auf Klick und Reload verfolgen. Wahre Wunderdinge erzählt man sich von diesen Algorithmen: Sie kennten uns besser als wir selbst, wüssten um unsere Interessen und könnten unsere Kaufentscheidungen mit personalisierter Werbung manipulieren. Die Realität ist oft viel banaler. So geisterte vor Jahren eine Geschichte durchs Netz und die Medien vom Supermarkt mit dem passenden Namen Target, der einer Kundin mutmaßlich aufgrund der Daten aus einem Rabattprogramm à la Payback Werbung für Babysachen nach Hause schickte, bevor sie selbst wusste, dass sie tatsächlich schwanger war. Solche Ereignisse wiederholen sich bis heute, doch wenn die Algorithmen falsch liegen, entpuppt sich das ganze Wunder zum Beispiel als naheliegender Schluss aus den weiterverkauften Daten eines Zyklustrackers nach versäumter Dateneingabe. Auch im ersten Fall dürfte die Erklärung harmlos sein, handelt es sich doch um einen Einzelfall und wir wissen nicht, bei wie vielen Empfängerinnen Target falsch lag.

Das Modell vom algorithmisch durchleuchteten und manipulierten Konsumenten führt vielfach in die Irre. Es unterstellt „den Algorithmen“ Fähigkeiten, die sie so nicht haben, erklärt unerwartetes Verhalten fälschlich als Irrtümer einer Intelligenz und verengt die Vorstellung von Werbung auf personalisierten Druckverkauf von Consumer-Produkten. Aus dieser Perspektive erscheinen Beobachtungen grotesk, wie sie der Journalist Hendrik Wieduwilt machte und belustigt teilte:

Belustigter Tweet über Twitter-Werbung für militärische Transporthubschrauber
Psst, brauchst du Transporthubschrauber? Gute Stoff, NATO nimmt auch!

Was auf den ersten Blick und mit dem Modell der persönlich zugeschnittenen Werbung im Hinterkopf wie eine erheiternde Fehlfunktion wirkt, lässt sich in Wirklichkeit leicht erklären. Die Kaufentscheidung, um die es geht, fällt im Verteidigungsministerium. Seit Anfang des Jahres läuft das Beschaffungsverfahren für einen neuen Transporthubschrauber für die Bundeswehr. Einer der beiden Bieter* ist Boeing mit dem gezeigten Modell Chinook.

Ein wie auch immer gearteter direkter Einfluss dieser Werbung auf die Beschaffungsentscheidung der Bundeswehr ist nicht zu erwarten. Man investiert nicht mehrere Jahre in die Vorbereitung und Abwicklung eines Beschaffungsverfahrens, nur um am Ende die Ministerin nach Bauchgefühl und der am häufigsten gesehenen Anzeige entscheiden zu lassen. Dennoch ergibt die Werbung Sinn, wenn man sie Teil einer Imagekampagne betrachtet, mit der die öffentliche Meinung zugunsten des eigenen Angebots gepflegt werden soll. Welche Wirkung man davon am Ende erwarten kann, sei dahingestellt; schaden wird es nicht, der Öffentlichkeit bekannt zu sein.

Besonders gut zielen muss man mit einer solchen Kampagne nicht, sie soll ja viele erreichen. Eine Portion Targeting wird dennoch im Spiel sein und das versteht man am besten, wenn man es als Ausschluss offensichtlich unsinniger Versuche auffasst.

Henry Ford wird das in verschiedenen Fassungen kursierende Zitat zugeschrieben: „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeschmissenes Geld, ich weiß nur nicht welche Hälfte.“ Die Chance, mit Werbung bei einem zufällig ausgewählten Individuum eine Wirkung zu erzielen, ist gering, meist viel geringer als fünfzig Prozent. Es gibt kein Geheimwissen, mit dem sich dies grundlegend ändern ließe. Denkt nur daran, wie viel Werbung Ihr Tag für Tag ignoriert, für wie viele Produkte Ihr Werbung erhaltet, die Ihr nie kaufen würdet.

Dennoch lassen sich die Erfolgsquoten einer Kampagne pro Kontakt und damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimieren, indem man offensichtlich chancenlose Versuche gleich ganz bleiben lässt und die dafür sonst aufzuwendenden Kosten einspart. Im vorliegenden Fall zielt die Kampagne auf Deutschland. Man kann also schon mal auf alle Versuche verzichten, bei denen die Empfänger keinen Bezug zu Deutschland haben. Das ließe sich noch näherungsweise durch die Auswahl der Medien und sonstigen Werbeumfelder erreichen, wie man es früher getan hat und in Printmedien noch tut. Im Internet mit seinen zentralen Werbeplattformen ist man jedoch weniger eingeschränkt und so ließe sich diese Zielgruppenbeschränkung auch dann noch umsetzen, wenn jemand Slashdot oder El País oder eben Twitter besucht.

Je nach Ausrichtung der Kampagne könnte eine weitere Einschränkung sinnvoll sein, nämlich auf relevante Entscheider und Multiplikatoren, also ungefähr höhere Militärs und Verteidigungsbeamte sowie Journalisten und einflussreiche Blogger. Ob das hier der Fall ist, weiß ich nicht. Vielleicht bekommt auch jeder zurzeit Hubschrauberwerbung, ob Journalistin, Militär, Klempnerin oder Katzenbildblogger. Wer wahrscheinlich journalistisch tätig ist, kann Twitter wissen; ob es sich ohne weitere Verknüpfung aus Tracking-Daten herauslesen ließe, weiß ich nicht. Um hingegen jemanden halbwegs verlässlich als, sagen wir, Staatssekretär im BMVg einordnen zu können, wird man ihn de facto persönlich identifizieren oder sich auf seine Angaben verlassen müssen.

So fein müssen Zielgruppen freilich gar nicht immer abgegrenzt werden, auch wenn man zuweilen von Microtargeting liest. Brauchbare Einschränkungen beim Zielen auf Entscheidungsträger könnten Kriterien sein wie: „hat studiert und ist schon etwas älter“, oder „verfügt mutmaßlich über ein monatliches Einkommen von mehr als x-tausend Euro“. Wichtig ist nur, dass man halbwegs verlässlich möglichst große Zahlen derjenigen ausschließt, die man nicht erreichen möchte.

Das heißt nicht, dass die Werbewirtschaft nicht alle Daten sammeln würde, die sie kriegen kann, oder dass sie Hemmungen hätte, über jeden einzelnen von uns ein persönliches Dossier anzulegen. Doch die mächtigen  und geheimnisvollen Algorithmen, die uns durch unsere DSL-Anschlüsse gleichsam direkt ins Gehirn schauen und unser Verhalten vorhersagen könnten, diese Algorithmen gibt es nicht.


*) Als einziger Konkurrent tritt der ebenfalls amerikanische Hersteller Sikorsky an und die Ausschreibung war wohl so formuliert, dass auch niemand sonst überhaupt die Bedingungen erfüllen konnte. Angesichts dessen frage ich mich, warum wir bei der Bundeswehr nicht so einen Souveränitätszirkus veranstalten wie für die Cloud, obwohl wir doch auf diesem Gebiet mit Airbus sogar über einen eigenen Kandidaten verfügen.

Tracking und Targeting

In ihrem Paper Targeted, Not Tracked: Client-side Solutions for Privacy-Friendly Behavioral Advertising (HotPETS’11) machen Mikhail Bilenko, Matthew Richardson und Janice Y. Tsai auf eine verbreitete Begriffsunsauberkeit in öffentlichen Datenschutzdebatten aufmerksam. Sie diskutieren den Unterschied zwischen dem Targeting als Zweck und dem Tracking als Mittel, den ich vor einiger Zeit hier in der Serie Datenkrake Google behandelt habe.

Tracking ist das, wovor alle Angst haben: jemand sammelt quer durchs Internet individualisierte Daten über das Nutzerverhalten. Daraus entsteht eine große, unheimliche Datenhalde aus detaillierten Informationen über jeden von uns, mit der man alles Mögliche anstellen könnte. Isoliert betrachtet ergibt dieses Tracking jedoch als Geschäftsmodell wenig Sinn:

  1. Sammle detaillierte Verhaltensdaten über alle
  2. ???
  3. Profit!

Viel Sinn ergibt hingegen das Targeting von Werbung, um das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Werbetreibenden zu optimieren. Targeting ist, was die Werbewirtschaft in erster Linie möchte. Tracking stellt ein mögliches Mittel zu diesem Zweck dar und ist übrigens nur so effektiv wie die Modelle, mit denen man aus den vorhandenen Daten Entscheidungen ableitet.

Tracking kann ein Mittel zu allen möglichen Zwecken sein. Targeting ist nicht zwingend auf bedrohliches Tracking angewiesen.

Zum Download. Eine Ergänzung zu Teil 6

[InhaltTeil 1 Teil 2 – Teil 3 – Teil 4 – Teil 5 – Teil 6 (+Nachtrag)Teil 7]

Eben bin ich noch über diese schöne Illustration zu Teil 6 von Datenkrake Google gestolpert:

Die obere Anzeige betitelt ihren Link einfach mit Zum Download. Genau danach habe ich gesucht, nach einem Download, diese Anzeige wird an dieser Stelle sicher hervorragend funktionieren, gerade weil nicht aus ihr hervorgeht, was sich eigentlich dahinter verbirgt.  Für so eine Optimierung braucht man gewissenloses, nüchtern-rationales Personal, zum Beispiel einen Computer, dessen einzige Mission in der Klickratenoptimierung besteht.

Über mich weiß Google offensichtlich, dass ich Deutsch spreche. Das erzählt mein Browser allerdings jeder Website und ich mache auch sonst kein Geheimnis daraus.

Erich fragt: Was muss ein sicheres Schreibgerät können?

Der Paranoiker in mir fragt sich bei Werbegeschenken zuerst, was das Ding wohl wirklich tut, während es auf dem Schreibtisch herumliegt oder -steht. Gleich danach kommt die Neugier. Taugt es was und was kann ich damit anstellen?

Heute gab’s eine Ladung Stifte, die der Hersteller als außerordentlich fälschungssicher anpreist. Ein Fall fürs Testlabor? Ist zwar keine IT und damit außerhalb unserer <BWL>Kernkompetenz</BWL>, aber die grundlegende Fragen sind dieselben:

  • Welche Sicherheitsanforderungen muss ein Schreibgerät unter welchen Randbedingungen erfüllen, damit es als fälschungssicher gelten darf?
  • Welche Sicherheitseigenschaften muss er dazu haben?
  • Welche Eigenschaften darf er nicht haben?
  • Welche Anforderungen an ein Gesamtsystem kann der Stift schon prinzipbedingt überhaupt nicht selbst abdecken?
  • Wie hängt die Sicherheit von der Einsatzumgebung ab?

Je länger ich darüber nachdenke, desto absurder erscheint mir die Idee eines fälschungssicheren Stiftes, aber erst mal sind meine Leser dran. Was heißt Fälschungssicherheit und was muss ein fälschungssicherer Stift können?

Schon wieder: Sicherheit in der Werbung

Indien hat zwar gerade nicht so viel Internet, macht aber dennoch mit Werbung auf sich aufmerksam:

ibibo ad

Schön, dass ihnen Sicherheit wichtig ist, aber eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass ich wenigstens über die Originalkopie meiner Daten die Kontrolle behalte.

Im übrigen fühle ich mich jetzt ganz und gar nicht sicherer, sondern ich frage mich vielmehr, ob ich dieses Banner nicht vielleicht nur deshalb sehe, weil ich mich vorhin in einem indischen Blogkatalog herumgetrieben habe. Kann aber nicht sein, wie sich nach kurzem Nachdenken herausstellt, denn das war auf einem anderen Computer. Oder kann es doch? Vielleicht will ich es so genau lieber gar nicht wissen.

Bessere Werbung

Werbung von Iron Mountain

Es gibt übrigens auch Werbung, die mich nicht zu einem Spontantest anstachelt, sondern mir so gut gefällt, dass ich sie mit großem Vergnügen weiterreiche. Sogar zum Thema IT-Sicherheit. Nebenstehend ein Beispiel (Klick zum Vergrößern), das ich heute in meinem Postfach fand, eine Karte im Format A4, die auf http://friendlyadvicemachine.com/ verweist. John Cleese schaue ich mir gerne mal an, auch wenn ich beim Absender Iron Mountain vorerst nichts kaufen möchte. Die Karte ist also gut genug, um meine Aufmerksamkeit zu wecken. Und die Website zur Karte ist gut genug, um mich dabei nicht auf dumme Gedanken kommen zu lassen. Da hat sich jemand richtig Mühe gegeben. Wahrscheinlich haben die Absender auch noch einen Google-Alert auf ihren Namen gesetzt und tauchen schneller hier auf als die Datenleckstopfer von gestern, auf die ich immer noch warte.