Als ich Auszüge aus dem Urteil 23 U 38/05 des Oberlandesgerichtes Frankfurt ins Blog stellte, hielt ich mich zunächst mit Kommentaren zurück. Jetzt diskutiert ein Telepolis-Artikel das Urteil im Zusammenhang mit der Kameraüberwachung in Supermärkten und der Möglichkeit, damit Kunden bei der PIN-Eingabe zu beobachten.
Der Artikel endet mit der anscheinend unvermeidlichen Forderung nach besserer Sicherheitstechnik. So einfach ist das aber nicht. Das Grundproblem des EC-Karten-Urteils ist ja gerade die Überschätzung der Sicherheitstechnik. Grob gesagt ist das Gericht der Ansicht, alle möglichen und aus Sicht des Sicherheitsingenieurs erforderlichen Betrachtungen nicht anstellen zu müssen, sondern System und Verfahren dem Anschein nach für sicher halten zu dürfen. Bessere oder auch nur für besser gehaltene Sicherheitstechnik kann die Richter in dieser Sicht nur bestärken. Einwände hätten dann noch weniger Chancen auf Gehör und ernsthafte Berücksichtigung.
Das könnte man hinnehmen, gäbe es eine mehr oder weniger perfekte Technik, die alle Probleme angemessen löst. So eine Sicherheitstechnik ist jedoch nicht in Sicht. Einige Anregungen, was sich mit Karten und Terminals noch alles anstellen lässt, gibt die Truppe um Ross Anderson in ihrem Blog:
Wenn man solche Gedanken zu Ende spinnt, kommt man zu dem Schluss, dass vorerst in jedem System mit Schwachstellen zu rechnen ist, gerade an der Schnittstelle zum Benutzer. Was wir wirklich brauchen, ist deshalb nicht bessere Sicherheitstechnik, sondern klügere Gerichte. Sie müssen klären, welche Einwände gegen die Sicherheitsvermutung gerechtfertigt sind und welche nicht, und das geht nur auf der Grundlage einer detaillierten technischen Betrachtung des Gesamtsystems. Die ist mühsam und aufwändig, aber notwendig. Nach Augenschein kann man Sicherheit nicht sinnvoll beurteilen.
Derzeit hat man als Geschädigter die besten Karten, wenn ein Verfahren Sicherheitsmängel hat, die auch ein Richter versteht, und wenn man außerdem erklären kann, was diese Sicherheitsmängel mit dem konkreten Fall zu tun haben oder zu tun haben könnten. Solche Fälle landen allerdings oft gar nicht erst vor Gericht, weil die Banken so böse dann doch nicht sind. Das Urteil des Oberlandesgerichts macht uns also letztlich nicht schlauer, sondern folgt implizit einer perversen Logikeinem Zirkelschluss: wäre eine echte Schwachstelle ausgenutzt worden, wäre der Fall gar nicht vor Gericht gelandet, deshalb wird die Klage abgewiesen. Das kann vollkommen richtig sein, aber die Begründung ist falsch.