Archiv der Kategorie: Forschung

Erich experimentiert: der freie Fall

Wenn’s der Wahrheitsfindung dient, lege ich mich auch mit der gesamten Physik seit der Erfindung des Steinwurfs an. Nachfolgend dokumentiert ist der experimentelle Nachweis, dass leichte Gegenstände langsamer fallen als schwere. Als bekennender Ungläubiger bin ich selbstverständlich für alle erforderlichen Experimente gerüstet. Falls sich jemand wundert, was das soll: Hintergrund ist eine Debatte, die mit einer Diskussion über Fahrradhelme begann, sich inzwischen aber recht grundsätzlich mit der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie und dem argumentativen Wert wissenschaftlicher Veröffentlichungen beschäftigt.

Als leichten beziehungsweise schweren Gegenstand wähle ich ein Blatt Papier sowie einen handelsüblichen Jonglierball. [Just am Rande des Darmstädter Jongliertreffs begab es sich übrigens vor einiger Zeit, dass Zweifel über die hier behandelte Frage aufkamen. Die anwesenden Physiker waren jedoch in der Lage, diese Zweifel unter Verwendung eines benachbarten Hörsaals und einiger Formeln zu zerstreuen. Dazu muss man allerdings ein paar Grundlagen der Mathematik sowie die Sinnhaftigkeit der gewählten Abbildung des Problems auf die Konzepte der Mathematik glaubenakzeptieren.] Das Experiment erfordert ferner eine Waage sowie zur Dokumentation eine Digiknipse. Die Waage ist ein Familienerbstück, das mir sonst als Staubfänger dient, die Digiknipse ein Spontankauf aus dem Sommer 2005. Erich experimentiert: der freie Fall weiterlesen

Trotzreaktion

Helmdiskussionen beginnen und enden mit Trotzreaktionen. Da kann ich nicht ruhig zusehen. In Deutschland sterben Jahr für Jahr etwa 600 Menschen bei Bränden, ungefähr so viele wie jeweils durch Fahrrad- oder Badeunfälle. Schwimmen kann ich gut, Radfahren auch (was nicht notwendig heißt, dass mein Risiko geringer wäre), also habe ich mir bei meinem jüngsten Besuch im hiesigen Baumarkt einen Brandmelder gekauft. Der kostet weniger als so ein blöder Helm und man muss sich nicht erst mühsam ein Szenario konstruieren vom Sturz ohne Fremdbeteiligung auf einen spitzen Stein genau mit dem behelmten Drittel des Kopfes, um sein Leben gerettet zu bekommen.

Ein Brandmelder in der Wohnung verringert Risiken durch ein einfaches Wirkprinzip: er weckt Schlafende, wenn es brennt. Diese Sicherheitsfunktion ist außerdem nach den kolportierten Zahlen in einem nennenswerten Anteil der Fälle relevant, weil der Tod oft direkt oder indirekt aufgrund einer Rauchvergiftung im Schlaf eintritt. Da lohnt sich ein Sicherheitsmechanismus.

Ob ich jetzt wirklich sicherer bin, weiß ich allerdings nicht. Ich kann noch eine Menge Fehler machen, etwa das Ding blöd (oder aus Faulheit gar nicht) aufhängen oder in ein paar Jahren den Batteriewechsel vergessen. Wie gut das Ding funktioniert, habe ich auch nicht getestet.

Unterschätzte Risiken: Halbwissen

Faustregeln, vornehm auch Heuristiken genannt, sind eine feine Sache. Sie reduzieren die scheinbare Komplexität unserer Welt und erleichtern damit den Alltag. Leider nicht immer:

»Wie ein Experiment nun erstmals gezeigt hat, lassen sich Nichtfachleute von neurowissenschaftlich verbrämten Argumenten derart blenden, dass sie logische Mängel derselben nicht mehr zu erkennen vermögen.
(…)
Die Pointe der Versuchsanordnung bestand darin, dass die neurowissenschaftliche Information logisch gesehen völlig wertlos war: Sie trug in keiner Weise zur Erklärung bei.
(…)
Wurden die Erklärungen ohne neurowissenschaftliche Zusätze präsentiert, so waren Laien (ohne Vorkenntnisse in der Hirnforschung) ebenso wie Experten (mit einschlägigem Vorwissen) recht gut in der Lage, die logischen Mängel der schlechten Erklärungen zu durchschauen: Sie veranschlagten die Qualität der guten Erklärungen als deutlich höher. Ganz anders das Bild, wenn den Teilnehmern neurowissenschaftlich verbrämte Erläuterungen vorgelegt wurden.«

Das berichtet die NZZ und bezieht sich damit auf den Artikel The Seductive Allure of Neuroscience Explanations von Deena Skolnick Weisberg, Frank C. Keil, Joshua Goodstein, Elizabeth Rawson und Jeremy R. Gray im Journal of Cognitive Neuroscience 20, 470–477 (2008).

Vielleicht sollte ich es doch mal mit Social Engineering versuchen, wenn Blendwerk so gut funktioniert. Oder lieber Bullshit Bingo, jetzt, wo es alle wissen und anwenden?

Friday the 13th – End of the World?

Not quite, but with a 1-in -300 chance the end of certain lifeforms on the surface of this planet:

»You may want to put this date in your diary: April 13, 2029. It’s a Friday. Friday the 13th. This is the day, Nasa announced four years ago, on which the Earth is most likely to be struck by a civilisation-destroying asteroid.«

(The threat to Earth from space is minimal – Times Online, via)

Time to un-quit smoking?

Unterschätzte Risiken: Bauarbeiten

Bei Frau Carone tobt gerade eine Helmdiskussion [Update: in der ich nicht mehr mitspielen darf, wohl weil ich zu gerne die Wikipedia zitiere und Echte Wissenschaftler™ das ihbäh finden]. Auf der Suche nach Vergleichszahlen bin ich über das gestolpert:

»25 % mehr tödliche Unfälle am Bau
2006: Jeder 5000. Bauarbeiter verliert sein Leben auf der Baustelle

Deutschlandweit starben 2006 in der Bauwirtschaft 141 Menschen und damit 28 mehr als ein Jahr zuvor.
(…)
Die Zahl der schweren Unfälle insgesamt stieg im selben Zeitraum um rund 5200 auf knapp 129 000 an. 3031 Bauleute wurden durch einen Unfall dauerhaft arbeitsunfähig, elf Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
(…)
Die Dunkelziffer bei den genannten Negativzahlen dürfte allerdings deutlich höher liegen, weil immer mehr Selbständige (auch Scheinselbständige und Ich-AGler) nicht erfasst werden. Die Beschäftigtenzahl im Baugewerbe ging 2006 indes leicht zurück. Waren es im Juni 2005 noch 733.757 Beschäftigte, reduzierte ich die Zahl bis Juni 2006 auf 729.062 Beschäftigte.«

Jeder 5000., das wären hochgerechnet auf 80 Millionen Bundeseinwohner ungefähr 16000 (sechzehntausend) Tote und noch eine Dunkelziffer obendrauf. Trotzdem schaut man mich komisch an, wenn ich behaupte, Radfahren sei nicht besonders gefährlich.

Sparsam anonymisiert

Noch ein Zitat aus dem hier bereits auszugsweise wiedergegebenen Urteil des OLG Frankfurt:

»… und ein Gutachten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik eingeholt, das von dem Mitarbeiter Prof. Dr. rer. nat. XY, der Diplom-Mathematiker ist und zusätzlich eine außerplanmäßige Professur am Fachbereich Mathematik der TU … bekleidet, erstellt und mündlich erläutert wurde.«

Wie lange müsst ihr googeln, um aus den kursiv hervorgehobenen Informationen eindeutig die Belegung der Variablen XY zu rekonstruieren oder die Unsicherheit darüber so weit zu reduzieren, dass weniger als fünf Bewohner dieses Planeten in Frage kommen?

A Rationalist Approach to Risk Assessment

»I believe smoking bans are doing great damage, and not only economic damage. They promote intolerance, social tension and a ‘stool pigeon‘ culture. They ostracise a large and law-abiding segment of the population. They set a worrying precedent for all kinds of other social engineering. And they bring Nanny into Nightlife: the last place she belongs.«

Over at Plazeboalarm they celebrate (in German) an essay by Joe Jackson, Smoking, Lies and The Nanny State (PDF), and rightly so. He perfectly demonstrates a rationalist approach to risk assessment, which is based on fact rather than opinion and hidden agendas. He also demonstrates how real and unreal health risks can be abused politically and possibly lead to much worse an outcome even if the original risk fought was real.

Even though not everyone may agree with him, even if the factual basis of his essay were wrong (I didn’t verify his numbers yet), he reminds us of the virtue of skepticism. Even experts can be wrong. Terribly wrong, sometimes:

»It is has become ‘common knowledge’ that smoking is one of the worst things you can possibly do to yourself; ‘all the experts agree’. Of course, ‘all the experts’ once agreed that masturbation caused blindness, that homosexuality was a disease, and that marijuana turned people into homicidal maniacs. In the 1970s and 80s British doctors told mothers to put their babies to sleep face-down. Cot deaths soared, until a campaign by one nurse succeeded in changing this policy, which we now know to have claimed something like 15,000 lives.«

No matter how you feel about smoking, read his essay and try to grasp the many points he makes that are not immediately related to cigarettes and tobbacco but rather to rationalism and workable ways of running a society. A must-read for everyone. Conspiracy theories about the tobacco industry are not an acceptable excuse.

ClearSwift, das war wohl nix (oder Ihr seid Spielverderber)

Vor einer Woche hatte mich eine Werbemail der Firma ClearSwift zu diesem Ad-hoc-Test inspiriert. Versprochen war Data Loss bzw. Data Leak Protection und ich wollte wissen, ob der Anbieter schnell merkt, dass jemand über ihn bloggt. Erbeten war eine schnelle Reaktion hier im Blog oder auf anderem Wege. Einen festen Termin gab es nicht, aber eine Woche sollte wohl genügen. Reaktionen gab es keine. Das könnte verschiedene Gründe haben:

  1. Ich habe das Konzept der angebotenen Lösung nicht verstanden und der ganze Kram hilft gar nicht gegen Blogger, die unerlaubt über die Firma bloggen. Dann stellte sich allerdings die Frage, warum Blogs und Web 2.0 in der Werbung vorkommen.
  2. Vielleicht hilft die Lösung tatsächlich gegen unerlaubte Firmenblogger, aber nur unter bestimmten Randbedingungen. Sie könnte zum Beispiel erfordern, dass der Blogger aus dem Firmennetz bloggt oder dass Geheimnisse erst registriert werden müssen, damit die Sicherheitstechnik sie entdecken kann. In diesem Fall wäre der Nutzen zweifelhaft, wie diese kleine Demonstration zeigt.
  3. Oder wir haben es mit Spielverderbern zu tun: sie haben uns gesehen, aber absichtlich nicht reagiert. Das gäbe ein Sehr Gut für die Methodik der Krisen-PR – aber leider ein Ungenügend für Nachdenken, denn in diesem Fall wäre eine Reaktion richtig gewesen.

Zum Mitspielen hätte man übrigens überhaupt keine Sicherheitslösung gebraucht, weil es ja Google gibt und Google gern Benachrichtigungen zu beliebigen Anfragen verschickt. Jeder, der auch nur eine Spur von Eitelkeit zu seinem Wesen zählt, hat einen Google Alert auf seinen Namen bestellt. Tja.

Mal schnell getestet: Data L{oss|eak} Prevention von Clearswift

Aus meiner SpamInbox:

»Stellen Sie sich vor, Ihre Finanzabteilung versendet versehentlich vertrauliche Business-Pläne an einen externen Emailverteiler, ein verärgerter Mitarbeiter verrät im Online-Chat Firmengeheimnisse oder ein anderer verschickt im Namen Ihres Unternehmens unseriöse Emails an Ihre Kunden.«

Tja, was mache ich denn dann? Die Mail, aus der dieses Zitat stammt, empfiehlt mir, mich rechtzeitig über die Produkte und Dienstleistungen der schreibenden Firma zu informieren. Ich würde ja einfach die Finanzabteilung feuern, wenn sie sich das so redlich verdient; verärgerten Mitarbeitern rechtzeitig genügend Angst machen; und die unseriösen E-Mails selber verschicken, um sie später dementieren zu können und so zweimal billig Aufmerksamkeit zu bekommen. Statt dessen soll ich mich also über MIMEsweeper informieren und darüber, was man im Web 2.0 damit so alles verhindern kann.

Da ich solche Probleme nicht habe und meine Hauptbeschäftigung darin besteht, die Sicherheit von allem möglichen zu testen und zu bewerten, tue ich genau das: testen. Mal schnell getestet: Data L{oss|eak} Prevention von Clearswift weiterlesen

Giftschrankschlossdesign gegen Benutzerfehler?

Manche Vertreter mancher Berufe haben manchmal Dateien, die man gar nicht haben möchte. Und wenn man sie doch hat, dann möchte man sehr gut kontrollieren, was mit ihnen passiert. Jene unter unseren Leserinnen und Lesern, die sich darunter nicht sofort etwas vorstellen können, denken bitte an eine Dekompressionsbombe als vergleichsweise harmloses Beispiel. Wer damit nichts anzufangen weiß, braucht gar nicht weiterzulesen.

So eine Dekompressionsbombe in Dateiform möchte man auf gar keinen Fall aus Versehen doppelklicken. Zwar macht sie selten richtig was kaputt, aber sie nervt ganz gewaltig, wenn sie erst mal vor sich hin explodiert. Und es gibt noch andere Dinge, die man nicht versehentlich doppelklicken, andererseits aber auch nicht aus seinem Labor verbannen möchte. An die denken wir auch.

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Wie gefährlich sind radioaktive Strahlen?

Mit dem Risiko durch radioaktive Strahlung oder andere Nebenwirkungen der Kernkraftnutzung haben wir uns hier bereits beschäftigt. Eine Theorie, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist die von der Gefährlichkeit sehr niedriger Strahlendosen. Die Kern-, äh, -these lautet, von ihren Vertretern selbst auf die Spitze getrieben: ein einziges Teilchen radioaktiover Strahlung, das unseren Körper erreicht, könne uns umbringen.

In der FAZ von gestern bin ich nun über einen Leserbrief gestolpert, der für mein Verständnis recht plausibel erläuterte, wie diese Theorie zustande kommt und warum sie Blödsinn ist. Wie eine kurze Googelei zeigt, ist zwar nicht der Leserbrief, aber ein älterer Artikel seines Autors im Netz zu finden: Wie gefährlich sind radioaktive Strahlen?

Betrachten wir beide Seiten, so fällt auf, dass die eine – Hauptvertreter scheinen sogenannte Baubiologen zu sein, was auch immer das sein mag – viele Zahlen, Fakten und Schlagworte aneinanderreiht. Die andere Seite dagegen setzt sich mit Wirkmechanismen, Konzepten und der Arbeitsweise von Gremien auseinander. Auf dieses Kriterium spring mein Bullshit-Detektor an. Wer nicht nach der Wirkungsweise fragt, sondern einfach mit Zahlen und Begriffen um sich wirft, der will nur Angst erzeugen.

Wie übersetzt man »trusted« richtig?

Im Englischen kann man ohne sprachliche Verrenkungen zwischen trusted und trustworthy unterscheiden. Trotzdem kriegen es viele nicht richtig hin. Auf Deutsch ist das noch viel schwerer. Trustworthy lässt sich noch entspannt und korrekt mit vertrauenswürdig übersetzen: das bedeutet, dass etwas Vertrauen verdient, dass Vertrauen – ganz gleich, ob man es tatsächlich hat oder nicht – jedenfalls nicht enttäuscht würde. Ob jemand oder etwas vertrauenswürdig war, wissen wir zuverlässig immer erst hinterher, wenn uns das Ergebnis wovon auch immer gezeigt hat, dass unser Vertrauen gerechtfertigt war. Meine Bank zum Beispiel hat sich in der Vergangenheit als vertrauenswürdig erwiesen. Viel spricht dafür, dass sie es auch in Zukunft bleiben wird, aber hundertprozentig weiß ich das jetzt noch nicht.

Für die Zukunft muss ich meiner Bank vertrauen: ich vermute oder hoffe, dass sie sich als vertrauenswürdig erweisen wird, und handle jetzt schon so, als sei sie es. Ich könnte mich statt dessen auch bei einer anderen Instanz absichern, hätte dort aber dasselbe Problem. Meine Bank, oder die andere Instanz, ist damit trusted. Meine Sicherheit hängt davon ab, dass sie sich wie erhofft verhält. Tut sie es nicht, bricht mein Sicherheitskonzept zusammen. Ein anschauliches Beispiel gibt es hier. Der Übersetzer ist trusted, jemand vertraut ihm. Er ist aber nicht trustworthy, denn er enttäuscht dieses Vertrauen.

Für diese Rolle in der Vertrauensbeziehung hätte ich gern ein deutsches Adjektiv. Vertraut passt nicht. Abhängig ist gerichtet und genau umgekehrt: ich bin abhängig von dem, dem ich vertraue. Im Einzelfall kann man sich vielleicht in Umschreibungen retten, aber darunter leidet die Verständlichkeit. Einfach trusted zu benutzen ist auch nicht besonders schön, das Lesen macht dann keinen Spaß mehr. Betraut oder verantwortlich ginge vielleicht, wenngleich mir beides unüblich scheint. Wie lösen unsere geschätzen Leserinnen und Leser dieses Problem?

Operation sichere Zukunft: die Bilanz

Pünktlich zur Hessenwahl erinnert Andrea Diener an die Operation sichere Zukunft der gegenwärtigen Landesregierung:

»Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Operation sichere Zukunft? Vor vier Jahren war das. Damals waren es noch nicht die jugendlichen Straftäter mit Migrationshintergrund, die für Unsicherheit und Kampfrhetorik sorgten, sondern die finanzielle Lage des Landes Hessen.«

Die Ganzkurzfassung: man hat viel Geld gespart, aber wohl an der falschen Stelle. Ihr Text ist aber viel besser als meine Zusammenfassung und Quellen hat sie auch. Lesen!

Wer mehr zur Wahl lesen möchte: der Onlinejournalistennachwuchs der h_da füllt der Frankfurter Rundschau das Wahlblog Kreuzchen (via: Textdepot). Ob die Texte was taugen, kann ich noch nicht sagen; immerhin haben sie ein richtiges Blog hingekriegt und bewegen sich damit am oberen Ende der journalistischen Onlinekompetenzskala.

Risikokompass

Wovor lohnt es sich, Angst zu haben? Wo lohnt es sich, etwas zu tun und welche Nebenwirkungen möchten wir dafür in Kauf nehmen? Um ein Risiko schnell und grob zu bewerten, kann man es in eine Skala einordnen und uns dann überlegen, ob der Umgang damit ungefähr seiner Position angemessen ist. So eine Skala finden wir im Blog mobifoto.de. Sie deckt für DE den gesamten relevanten Bereich ab, von den fast 400.000 Toten durch Herz- und Kreislauferkrankungen bis zu den 0 (null) Terrorismusopfern im Jahr. Ich habe die Zahlen nicht überprüft, sie sind jedoch hinreichend galubhaft, um zumindest eine grobe Orientierung zu geben.

Grippe so gefährlich wie Atom, Lampenöl auch

Was das Ergebnis der KiKK-Studie bedeutet beziehungsweise eben nicht bedeutet, wissen wir schon. Zur Erinnerung: wir reden nüchtern betrachtet über 0,2 bis 0,3 Prozent der Krankheitsfälle oder mit einer sehr gewagten Interpretation von höchstens 275 Neuerkrankungen.

Zum Vergleich erinnert uns Spiegel Online daran, dass »im gleichen Zeitraum und in der gleichen Altersgruppe … 214 Kinder an Grippe und 3320 Kinder aufgrund von Verkehrsunfällen« starben. Die gewöhnliche Virusgrippe ist also in etwa so riskant wie ein Kernkraftwerk hinterm Haus. Vielleicht sogar riskanter, denn hier reden wir über Tote, während es in der Krebsstudie um Erkrankungen ging, die durchaus heilbar sind. Und wenn wir schon bei Verkehrsunfällen und toten Kindern sind, die Hälfte der im Straßenverkehr getöteten Kinder stirbt nicht als Radfahrer oder Fußgänger, sondern im Auto. Wer Angst um seine Kinder hat, fährt sie also besser nicht zur Schule.

Eine weitere Vergleichszahl liefert die taz, die der Propaganda für die Kernkraft gewiss unverdächtig ist. Seit dem Jahr 2000 haben sich bundesweit mehr als 700 Kinder mit Lampenöl vergiftet. Fünf davon sind gestorben, weitere trugen bleibende Schäden davon. Die Meldung der taz beruht auf einer Warnung des Gesundheitsministeriums von Nordrhein-Westfalen. Das kann jetzt jeder selbst auf die 24 Jahre der KiKK-Studie hochrechnen.

Update: Die Sueddeutsche hat zwar unnötig Angst vorm Netz, aber auch einen schönen Artikel übers Aufbauschen und Abwiegeln im nämlichen. Und der Tagesspiegel lässt endlich mal die Wissenschaft selbst zu Wort kommen.

Machen Atomkraftwerke Krebs?

Ein Physiker erklärt uns, was interessierte Kreise lieber verschweigen: die KiKK-Studie sagt weniger aus, als Kernkraftgegener gern hätten.

Mein Kommentar: Faszinierend, welches Geschrei eine Studie auslöst, deren Ergebnis bereits an einem einfachen Bullshit-Detektor scheitert: 0,8 Leukämiefälle pro Jahr schreibt die Studie der Nähe des Wohnortes zu Kernkraftwerken zu – bundesweit, insgesamt. Da braucht man keine Signifikanztests mehr, so ein Ergebnis sagt einfach nichts über Risiken aus, wie uns das Ärzteblatt vorrechnet. Falls Kernkraftwerke die betrachteten Krankheiten verursachen – die Studie macht keine Angaben darüber und kann es auch nicht –, reden wir über 2 bis 3 Promille der insgesamt auftretenden Fälle. Attributables Risiko nennen sie das, ein schöner Begriff.

Wer sich auf so etwas beruft, wenn er gegen die Kernkraft wettert, den muss man dringender abschalten als alle Kraftwerke zusammen. Mit einer rationalen Debatte über unsere Energieversorgung hat das reflexhafte Gebell in den Medien jedenfalls nichts zu tun. Liebe Politker, wenn Ihr mich für so dumm verkaufen wollt und Euch dabei auch noch erwischen lasst, macht Ihr Euch auf der Stelle und für alle Zeit unwählbar.

Ausführliche Flames zur Sache habe ich bereits im Forum zur Telepolis-Meldung geschrieben. Auch dort geht in einige Köpfe nicht hinein, dass eine wissenschaftliche Studie vielleicht trotzdem nichts bedeuten könnte. Merke: auch die Wissenschaft kann man zum Anker eines Glaubenssystems machen. Wissenschaftlich ist das aber nicht.

Most WordPress Blogs Vulnerable

»Security analyst David Kierznowski shocked bloggers yesterday with a survey showing that 49 out of the 50 WordPress blogs he checked seem to be running exploitable versions of the widely used software. He said, ‚The main concern here is the lack of security awareness amongst bloggers with a non-technical background, and even those with a technical background.‘ Mr Kierznowski also uncovered recent vulnerabilities in WordPress plugins that ship by default with the software, adding: ‚WordPress users developing plugins must be aware of the security functions that WordPress supports, and ensure that these functions are used in their code.’«

Slashdot | Survey Finds Most WordPress Blogs Vulnerable

Ahnungslose Mediziner oder Propaganda?

Wir haben Security Theater, der Straßenverkehr hat Helme für Radfahrer. Beide sind eng verwandt und werden auf dieselbe Art verkauft: mit Appellen an Affekte und an das oft falsche subjektive Risikogefühl. Der Verstand bleibt dabei so gründlich auf der Strecke, dass man sich fragt, was die Träger mit ihrem Styroporschälchen noch schützen wollen. Dabei ist die Verkaufsmasche so leicht zu durchschauen.

Die Pressemitteilung liest sich dramatisch:

»Mediziner machen sich für eine Helmpflicht für Radfahrer in Deutschland stark. Mit einem solchen Schutz ließe sich die Zahl gefährlicher Hirnverletzungen im Straßenverkehr deutlich reduzieren (…)«

und weiter:

»In Deutschland erleiden pro Jahr mehr als 300 000 Menschen ein Schädel-Hirn-Trauma. 15 000 von ihnen müssen intensiv stationär behandelt werden. Die Sterblichkeit sei bei diesen Patienten mit 30 bis 40 Prozent nach wie vor sehr hoch (…)«

Beim Abschreiben werden daraus auch mal 15000 Tote, so in der Leipziger Volkszeitung und der Sächsischen Zeitung. Dagegen also soll eine Helmpflicht für Radfahrer helfen. Wir rechnen nach.

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